Bruchstücke im Winter
Es ist der elfte Januar 2013.
Eigentlich nichts anderes als ein ganz normaler Tag, nichts was ihn besonders macht. Was gibt den 365 Bruchstücken eines Jahrs schon Bedeutung wenn nicht unsere privaten Erlebnisse, Emotionen und Erinnerungen? Unsere Wünsche und Anstrengungen verwandeln einen Moment in eine kleine Ewigkeit, einen Blick in eine Botschaft oder eine Berührung in eine Liebeserklärung. Keine Botschaft wurde heute geschickt, keine Liebeserklärung abgegeben. Ich habe Heute ohne ein besonderes Ziel begonnen, ohne einen wichtigen, vorwärts treibenden Wunsch. Heute war nicht wichtig, Heute war normal. Ein weiterer Tag von vielen in einer Reihe ineinanderfließender Tage in der Terrakotta Armee Stadt.
Herr der Ringe war die Brücke von gestern zu heute. Filmnacht mit Freunden bis in die frühen Morgenstunden. Drei bis vier Stunden Schlaf, definitiv kein Schönheitsschlaf, endeten abrupt um neun Uhr. Nur Kaffee und der morgendliche Kälteschock von zwei Grad Minus stellten sicher, dass mein irischer Freund Martin mich fast pünktlich einsammeln konnte und wir meinem Freund Lawrence beim Umziehen einmal quer durch die geschichtsträchtihe Millionenmetropole helfen konnten. Taxifahrten waren noch nie so schnell um und mein Schlaf deutlich zu oft unterbrochen. Womit wir bei meinem Wunsch des Tages angekommen wären. Schlaf! Zahnstocher, um meine Augenlider offen zu halten, wurden immer attraktiver. Aber wo sind die kleinen Biester, wenn man sie schon mal braucht?
Nach faden Chicken MacNuggets, einer halben Cola und alles mit extra Salz und süß-saurer Soße erträglicher gemacht, war es endlich so weit, und mein Mittags-eigentlich-Nachtschlaf konnte beginnen.
Hätte beginnen können. Betonung liegt lautstark auf hätte.
Anruf von Lawrence, ob ich ihn von der Arbeit abholen kann, schnelles Abendessen und so weiter. Vielleicht ja, aber eigentlich nein. Eigentlich gerne aber noch lieber schlafen... Aber na gut. Was die Anstrengung ins Spiel bringt, um heute nicht-normal zu machen. Also auf geht's, Schuhe grade aus und schon wieder an. Sehnsüchtiger Blick zum weichen Bett. Und auf den Weg, wieder durch die Stadt.
Wenn dieser Verzicht und Schlafmangel nicht einer Liebeserklärung der besonderen Art nahekommt, dann weiß ich auch nicht.
Eine kleine Ewigkeit Schlafentzug, ein langer Moment Insomnia.
Wir zerbrechen jeden Tag in viele Bruckstücke. Jedes erzählt eine andere Geschichte. Jedes ein Fragment unserer eigenen Schöpfung. Emotionen und Berührungen formen nur den äußeren Rahmen. Sie kommen hier nicht ins Spiel, sie sind selbstverständlich im ewigen Tag, der sich ewig zieht und einen ewig nicht schlafen lässt. Was mich nur im Hier und Jetzt lässt, was diesen Tag normal und besonders macht. Was mein Winterbruchstück namens ,Heute' in meiner Erinnerung von Morgen verschwimmen lassen wird und dennoch so voller Nichts und Bedeutung ist. Welches Nein und Ja, Wunsch und Müdigkeit, Anstrengung und Ewigkeit, Moment und Augenblick und Stunden schreit.
Heute ist nur ein weiterer Lebenssplitter im Winter, wie jeder andere Tag. Ein schlafloser Moment in der Ewigkeit meiner Erinnerungen.
kulturbanausin am 12. Januar 13
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