Park Qin
Verrückte Massen. Westliche Musik dröhnt aus den Boxen. Bass voll aufgedreht. Der Boden unter meinen Ugboots vibriert, meine Arme fühlen die Musik während ich mein amerikanisches Bier in einer westlichen Bar in China festhalte. Ganbei, Cheers, Salut wird durch den beengten Raum gegrölt. Zu viele Menschen auf zu engem Raum verpesten die Luft mit ihrem Shisharauch und Zigarettenqualm. Ein Mädchen trägt zuviel Parfüme, der süßlich abgestandene Duft mischt sich wie eine widerlich zarte Unternote unter die bittere verbrauchte Luft. Gestank alten Schweißes zu vieler Betrunkener.

"And I wait for you. With or without you... ," trieft die Stimme des Sängers aus den Boxen. Heute ist nur ein weiterer Abschied, einer der immer häufiger werdenden Abschiede in einer der zahlreichen Bars Xi'ans in der Barstreet. Ein weiteres feucht-melancholisches Besäufnis um den nächsten Freunden "Lebewohl" zu sagen. Was am Ende bleibt, sind die Zurückgebliebenen, die China noch etwas länger erforschen wollen, oder in manchen Fällen ertragen müssen. Aber am Ende ist dies Alles nichts außer einem weiteren aufgeschobenen Fliehen, Weggehen oder gezwungenem Abschied aus einer uns fremden und nicht wirklich greifbaren Kultur.

Ich bin seit über einem halben Jahr in China, versuche so viel wie möglich mitzunehmen, dieses aufstrebende Land zu begreifen und seine Bewohner zu verstehen. Studenten wie ich, meine Freunde aus aller Welt hier, WIR, sind diejenigen, die versuchen Brücken zu bauen, ein kleines bisschen asiatischer zu denken anstatt nur unserer eigene westliche festgefahrene Weltanschauung zu sehen. Oder, kürzer und auf den Punkt gebracht, "multikultureller" zu werden. Wir kratzen an der schlitzäugigen Oberfläche und nennen uns hinterher welterfahren.
Aber was mir hier in dieser kleinen, vollgestopften Bar klar wird, ist dass wir niemals perfekt mit unseren chinesischen Mitmenschen verschmelzen werden können. Dass wir zwar zusammen anstoßen und Smalltalk machen können. Dass wir immerhin und nur zusammen an einem Tisch sitzen können. Gemeinsam mit westlicher Musik und chinesischem Billig-Bier, mit blauen und mandelförmigen Augen, dasselbe betrachtend, einen Abend verbringen können. Manchmal einen erhaschten Moment oder eine gemeinsame Nacht erleben. Aber was bleibt ist die kulturelle Kluft, die noch nie kleiner und klaffender war als im Hier und Jetzt.

Das ist China für mich, das sind Ausländer aus einer westlichen Welt geworfen in eine asiatische Umwelt. Kapitalisten und Kommunisten. Meine Freunde und unsere chinesischen Mit-Biertrinker des heutigen Abends. Im englischen würde man mich als ein "third culture child"bezeichnen.
Die Bar Park Qin mit ihrem westlichen Namen, der ebenfalls den Namen des ersten chinesischen Kaisers trägt. Qin Shi Huangdi, Qins Park. Ein westliches Stück chinesischer Heimat und Ort meiner zum ersten mal dämmernden Erkenntnis. Prost bleibt da nur zu sagen, auf meine chinesischen und internationalen Freunde und meiner definitiv zu überwichtigen Gedanken für diesen Abend. Meine Freunde reisen weiter nach Australien, ich bald zurück nach Deutschland, alles nur einen Flugzeugsprung entfernt im Global Village.