Samstag, 12. Januar 2013
Bruchstücke im Winter
Es ist der elfte Januar 2013.

Eigentlich nichts anderes als ein ganz normaler Tag, nichts was ihn besonders macht. Was gibt den 365 Bruchstücken eines Jahrs schon Bedeutung wenn nicht unsere privaten Erlebnisse, Emotionen und Erinnerungen? Unsere Wünsche und Anstrengungen verwandeln einen Moment in eine kleine Ewigkeit, einen Blick in eine Botschaft oder eine Berührung in eine Liebeserklärung. Keine Botschaft wurde heute geschickt, keine Liebeserklärung abgegeben. Ich habe Heute ohne ein besonderes Ziel begonnen, ohne einen wichtigen, vorwärts treibenden Wunsch. Heute war nicht wichtig, Heute war normal. Ein weiterer Tag von vielen in einer Reihe ineinanderfließender Tage in der Terrakotta Armee Stadt.

Herr der Ringe war die Brücke von gestern zu heute. Filmnacht mit Freunden bis in die frühen Morgenstunden. Drei bis vier Stunden Schlaf, definitiv kein Schönheitsschlaf, endeten abrupt um neun Uhr. Nur Kaffee und der morgendliche Kälteschock von zwei Grad Minus stellten sicher, dass mein irischer Freund Martin mich fast pünktlich einsammeln konnte und wir meinem Freund Lawrence beim Umziehen einmal quer durch die geschichtsträchtihe Millionenmetropole helfen konnten. Taxifahrten waren noch nie so schnell um und mein Schlaf deutlich zu oft unterbrochen. Womit wir bei meinem Wunsch des Tages angekommen wären. Schlaf! Zahnstocher, um meine Augenlider offen zu halten, wurden immer attraktiver. Aber wo sind die kleinen Biester, wenn man sie schon mal braucht?

Nach faden Chicken MacNuggets, einer halben Cola und alles mit extra Salz und süß-saurer Soße erträglicher gemacht, war es endlich so weit, und mein Mittags-eigentlich-Nachtschlaf konnte beginnen.
Hätte beginnen können. Betonung liegt lautstark auf hätte.
Anruf von Lawrence, ob ich ihn von der Arbeit abholen kann, schnelles Abendessen und so weiter. Vielleicht ja, aber eigentlich nein. Eigentlich gerne aber noch lieber schlafen... Aber na gut. Was die Anstrengung ins Spiel bringt, um heute nicht-normal zu machen. Also auf geht's, Schuhe grade aus und schon wieder an. Sehnsüchtiger Blick zum weichen Bett. Und auf den Weg, wieder durch die Stadt.
Wenn dieser Verzicht und Schlafmangel nicht einer Liebeserklärung der besonderen Art nahekommt, dann weiß ich auch nicht.
Eine kleine Ewigkeit Schlafentzug, ein langer Moment Insomnia.

Wir zerbrechen jeden Tag in viele Bruckstücke. Jedes erzählt eine andere Geschichte. Jedes ein Fragment unserer eigenen Schöpfung. Emotionen und Berührungen formen nur den äußeren Rahmen. Sie kommen hier nicht ins Spiel, sie sind selbstverständlich im ewigen Tag, der sich ewig zieht und einen ewig nicht schlafen lässt. Was mich nur im Hier und Jetzt lässt, was diesen Tag normal und besonders macht. Was mein Winterbruchstück namens ,Heute' in meiner Erinnerung von Morgen verschwimmen lassen wird und dennoch so voller Nichts und Bedeutung ist. Welches Nein und Ja, Wunsch und Müdigkeit, Anstrengung und Ewigkeit, Moment und Augenblick und Stunden schreit.

Heute ist nur ein weiterer Lebenssplitter im Winter, wie jeder andere Tag. Ein schlafloser Moment in der Ewigkeit meiner Erinnerungen.



Donnerstag, 10. Januar 2013
Gangnam-Style Vorteile
Hüften schwingen, Arme hoch. Südkorea jauchzt, hat es doch nicht nur seinen Tourismus und Popmusik Markt erweitert, sondern auch Austauschstudenten und chinesische Diskogänger zusammengebracht. "Sexy Ladies" zeigten mir die Moves, ich dankte mit Konversationsversuchen. Zweimal links, rechts, links. Zweimal rechts, links, rechts. Und so Weiter. Highheels vergessen, Zähne zusammen beißen und durch die Luft reiten.

Der beste Weg, Geld zu sparen. Alles mit Körbchengröße A und drüber.
Sei ausländisch, könne nur gebrochenes Mandarin, tanze die Choreo aus Korea und jeder Chinese wird dein neuer ,chinesischer Freund' des Abends. Er zahlt deine Drinks im Austausch für deine Gesellschaft. Sei etwas schüchtern, oder was du willst. Der gestreckten Billig-Whiskey mit Eistee wird alles großzügig zu deinen Gunsten uminterpretieren. ,Ganbei' mit deinen Goldeseln, ein Nein und Nichttrinken (wenn, dann meistens auf Ex) ist nicht erlaubt im Höflichkeitskodex.
Die Diskos wollen kein Eintritt, Getränke werden wie gesagt nach eigenen Bemühungen von dir, ausländisch, damit exotisch und "OH!-Ich-kann-mein-Englisch-an-armen-Ausländern-üben"- Kandidat, von Pingpong und Chingchangchong gestellt.
Ein paar Yuan oder RMB sollten als Taxigeld dennoch beim Gangnam-Style-ischen Ausgehen mit eingeplant werden.
Solltest du KEINE privilegierte Körbchenträgerin sein, so werden dir weder Hüftschwung, runde Augen noch blondes Haar Getränke einbringen, leider. Beschwerden sind an Doppel Y zu richten.

Disko in China. Da wir Ausländer hier Herdentiere sind, solltest du deine neue Ersatzfamilie erst NACHDEM du ein paar Drinks mit Goldesel und Wang...Zhang...Li... Hattest, mit ihnen bekannt machen. Chinesen reagierten bei mir nicht gut auf plötzliche Ausländer Verfünfzehnfachung. Erfahrungsgemäß könnte dein hart er-gangnam-ter alkoholischer Wunderbrunnen sonst versiegen. Und deine Handynummer willst du als Schadensersatz nicht herausrücken; Chinesen ohne X-Chromosom vertragen weder Alkohol noch ein "Ich bin NICHT interessiert, danke".

Das ist selbst Psy mit seiner Parodie des Seouler Reichenviertels Gangnam nicht Wert. Glaub mir, Gangnamlady.



Mittwoch, 9. Januar 2013
Momentaufnahme Toffeenut Latte
Sie schaut über ihre Schulter, streicht einen Fussel von ihrem babyblauen Strickpullover. Sie blinzelt zweimal, hebt ihre Hand zu ihrem weißen, nüchternen Pappbecher. Nur das grüne Logo, welches stolz seine Marke verkündet, weist darauf hin, dass der Pappbecherinhalt interessanter sein könnte. Mit ihren Fingern zerpfrimelt sie die rote Pappe, gleiches grünes Logo. Namenlos, oder vielleicht eine überlange funktionsumschreibende Bezeichnung. Becher-Halterungsvorrichtung etwa oder Hand-Wärme-Schützer. Wir legen uns auf Getränkehalter fest.
Ihre Hand streicht gewollt lässig eine Strähne schwarzen Haars aus ihren dunklen Augen, erneutes blinzeln. Sie verstohlen zum Fenster.

Er sitzt in Gedanken versunken an besagtem Fenster und rührt in monotonen Bewegungen seinen Grüntee um. Er ist jung, vielleicht Student oder einfach nur Träumer.

Das kleine Mädchen weint, der Lärm ist zu laut und die ganzen anonymen Gespräche und das distanzierte Schweigen der iPad-Süchtigen verunsichern sie. Sie klammert sich an die junge Frau und starrt mich aus großen dunklen Augen an. Ausländer sieht man hier nicht oft.

In mitten der chinesischen Starbuckskunden fühle ich mich nicht mehr ganz so fremd. Reich der Mitte, Reich der Gegensätze. Im modernen Modecafé. Neben mir iPads, oder vermutlich Fälschungen. Kaffee und, chinesischer, Grüntee überall. Ich bin zum x-ten Mal bei Starbucks, dieses Mal mit Haijing, meiner chinesischen Englischschülerin-jetzt-Freundin. Natürlich sind auch wir beide mit Tablets beschäftigt, unterbrochen von Fetzen chinesisch-englischer Unterhaltungen.

Das hier ist mein erster Versuch eines Blogs. Zu viele Fragen nach meinen Chinaaufenthalt, nach meinem Alltag. Fehlt nur noch, was mein Lieblingsgetränk hier ist.
Toffeenut Latte, das chinesische Weihnachtsspecial. So ganz nebenbei.

Beschwerden betreffs Schreibstil, Vokabular, Inhalt etc. sind zu früh dran, jeder Blogeintrag wird etwas anders sein. Das ist immerhin immer noch mein Versuchskaninchen was das Schreiben und alles angeht.

Don't like it, don't read it!